Mode, Schönheit & Lifestyle

Toiletten zum Tanz, neue Silhouetten, angesagte Frisuren, edle Stoffe und Ratschläge für einen gepflegten und ’schönen‘ Körper – all das sind die Themen, die im Fokus dieses Ausstellungsraums stehen. In den Tanzzeitschriften Der Tanz und The Dance Magazine stößt man beim genüsslichen Blättern zwischen den zahlreichen Beiträgen zu Tanztechniken und – Theorien, Tänzer*innenportraits und Kritiken immer wieder auf Kolumnen, die sich um Mode, Makeup, Körper- und Schönheitsarbeit und deren Trends drehen. Neben all dem Wissen, der Freude und Inspiration, die aus solchen Zeitschriften entnommen werden kann, soll hier auch darauf gelenkt werden, inwiefern in popkulturellen Medien, wie der Zeitschrift,  Darstellungen von Tanz und Schönheit eine immense Arbeit am eigenen Körper fordern und normative Ideologien von Schönheit vermitteln, die Schlankheit, Jugend und Perfektion als unerlässliche Standards propagieren. Tanz- und Modebilder tragen auch zur Normierung und Kommerzialisierung des Körpers bei und vermitteln ein Bild von idealisierter Schönheit, das einer kritischen Hinterfragung bedarf. Die Rubriken „Toiletten zum Tanz“, „Tanz und Mode“ und „Beauty“ seinen hier exemplarisch vertreten. 

In der Ausgabe vom Dezember 1927 von Der Tanz sind drei Seiten der Kolumne „Tanz und Mode“ gewidmet. Die Autorin Leska schreibt: 

 

 

„Was man im vorigen Winter für unmöglich hielt, ist Wahrheit geworden: die Linie unserer Kleider hat sich verändert. Und zwar gerade auf dem Gebiet der Tanz- und Abendkleider ist dieser völlige Umschwung eingetreten. […] Nun diese mutig trotz vielen Widersprüchen der Damenwelt überschritten ist, hat man die Veränderung der weiblichen Linie mit Begeisterung aufgenommen“ (Leska: „Tanz und Mode“, in: Der Tanz, Heft 3, Dezember 1927, S. 28). 

 

 

Es wird also ein deutlicher Wandel in der Mode der Tanz- und Abendkleider beschrieben. Die alte Silhouette war geprägt von einer strengen, geraden Linie, einer tief sitzenden Taille und einer klaren, schlichten Form, die wenig Spielraum für modische Kreativität ließ. Nun, so Leska, hat sich die Silhouette der Kleider verändert: Die Taille ist höher, glockenförmig fallende Röcke und asymmetrische Schnitte prägen die neue, schwungvollere Silhouette. Besonders Tüll wird für festliche Anlässe hervorgehoben, da er durch seine Zartheit tänzerische Leichtigkeit symbolisiert. Allerdings wird seine Fragilität betont. Materialien wie Seide, Samt und Crêpe de Chine – je nach Größe des Geldbeutels – stehen im Mittelpunkt, und die Eleganz der Kleider zeigt sich mehr in der kunstvollen Verarbeitung als im Schmuck. Schmuck darf jetzt üppiger sein, was der Abendmode eine besondere Raffinesse verleiht. Insgesamt geht der Trend in eine verspielte Richtung. (Den direkten Vergleich zum Vorjahr sieht man etwas weiter unten. Links, 1927, sind die Kleider aus steiferen Stoffen und die Kleider liegen gerade am Körper an. Rechts, 1928, sieht man die Veränderung zu weitfließenden, asymmetrischen und ornamentierten Roben.)

 

 

Die neuaufgekommene Abendgarderobe lässt sich an den Abbildungen auf Seite 27 (siehe Abbildung rechts) gut erkennen: Tüllapplikationen, Stickereien, Zipfelröcke, Strass und transparente Tülllagen werden von den Models in anmutiger Pose in Szene gesetzt. Besonders das untere Kleid, ein Design von Senta Braun, sticht hervor. Das Modell Regina Friedländer trägt ein braunes Tüllkleid, darunter ein hellrosafarbenes Unterkleid. Das Kleid evoziert durch seinen transparenten Stoff und das fleischfarbene Unterkleid einen Moment von Nacktheit und erinnert an Lingerie. Auf der anderen Seite erinnert der wadenlange, weite Tüllrock sowie die Stoffrosette – in diesem Fall platziert an der linken Schulter – an romantische Ballettkostüme. Dadurch tritt das tänzerische Element im Kleid noch stärker hervor. 

Leska: "Tanz und Mode," in: Der Tanz, Heft 3 (Dezember 1927), S. 27
Alfred Edward Chalon: "Mademoiselle Taglioni in Zéphire et Flore, (1831), https://de.wikipedia.org/wiki/Marie_Taglioni#/media/Datei:Marie_Taglioni_in_Zephire_et_Flore.jpg
Leska: "Toiletten zum Tanz", in: Der Tanz, Heft 2 (November 1927), S.29
Leska: "Toiletten zum Tanz", in: DerTanz Heft 3 (Januar 1928), S.29

Allerdings wurden in Der Tanz auch nicht auf Tanz bezogene modische Neuheiten beworben. Beispielsweise erscheint regelmäßig auf den ersten Seiten der Ausgabe eine Werbeanzeige für Unterwäsche vom Produzenten Grünfeld aus Berlin. Dort wird mit guter Qualität, lieblich-reizenden Design und billigen Preis geworben. Unterstützt wird die Anzeige durch eine Illustration, bei der eine Dame mit Bubihaarschnitt, einem kurzen Neglige mit Stickereien sowie einer transparent und schwerfließenden Stola zu sehen ist. Diese Anzeige wurde der November-Ausgabe von 1927 entnommen. 

Werbeanzeige in Der Tanz, Heft 2 (November 1927), S.II
Werbeanzeige in Der Tanz, Heft 5 (März 1928), S. 30
Werbeanzeige in Der Tanz, Heft 5 (März 1928), S. 31
Werbenanzeige in Der Tanz, Heft 7 (Juli 1928)

Hier sieht man wiederum eine Anzeige für Bademode aus der Juli-Ausgabe 1928. Die Bademode, die hier präsentiert wird, ist vom selben Anbieter wie die eben thematisierte Unterwäsche. 

Besonders präsent in der Inszenierung der Modefotografien sind die Beine der Modelle, die im Gegensatz zum restlichen Körper frei bleiben. Kurze Kimonos, Kopftücher und Sonnenschirme sind da, um den Körper vor Sonnenstrahlen zu schützen. 

In der Ausgabe von The Dance Magazine vom Juni 1928 wird ein partikulärer Aspekt der Schönheit beleuchtet: die Bedeutung der Füße für Anmut und Eleganz. „Schönheit beginnt bei den Füßen“. In einer Zeit, in der Tanz und Mode eng miteinander verbunden sind, wird den Füßen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Lucien, ein bekannter französischer Designer, betont in seinem Artikel die zentrale Rolle der Füße für die Körperhaltung und Bewegungsfreiheit. Regelmäßige Pflege und bequeme, gut sitzende Schuhe seien für die Gesundheit und das Wohlbefinden einer Frau unerlässlich, insbesondere wenn sie sich der Kunst des Tanzes verschrieben habe. Denn nur in Schuhen, die Komfort bieten und den Füßen genügend Raum lassen, kann eine Tänzerin ihre Eleganz voll entfalten, ohne unter den Folgen von Hühneraugen, Blasen oder schmerzenden Gelenken zu leiden.

Es ist faszinierend, wie Mode und Tanz die Rolle der Füße neu definierten. Die moderne Frau der 1920er Jahre, die sich zunehmend sportlich betätigte und in gesellschaftlichen Kreisen verkehrte, verlangte nicht nur nach elegantem Schuhwerk, sondern auch nach Pflege und Wohlbefinden. Fußbäder und spezielle Produkte wie „Allen’s Foot-Ease“ galten als unverzichtbarer Bestandteil des täglichen Pflegeprogramms, um schmerzende Füße zu beruhigen und das Gehen und Tanzen angenehmer zu machen.

Wurden die Füße in der Vergangenheit oft vernachlässigt, so rückt ihre Bedeutung für die Schönheit nun in den Vordergrund. Tänzer*innen, Modeikonen und Liebhaber*innen der Eleganz achten gleichermaßen auf die Gesundheit und Pflege ihrer Füße. Denn die Anmut, die eine Tänzerin auf der Bühne oder im Ballsaal ausstrahle, beginne bei den Füßen – dem Fundament ihrer Bewegungen und ihres Ausdrucks.

Frageforum "Beauty" in The Dance Magazine 10 (2), (Juni 1928), S. 53

Ebenfalls im Rahmen der Kolumne „Beauty“ können Personen Fragen an eine gewisse Madame Maison gestellt werden. Diese Fragen kommen vorwiegend von Frauen und Tänzer*innen die mit Herausforderungen durch gesellschaftliche Körperidealen konfrontiert sind. In den 1920er Jahren waren Schönheitsstandards stark geprägt von der Modewelt, in der schlanke Körper und makellose Haut als Ideal galten; also nicht anders als heute in unserer Gesellschaft. Die Leser*innen des Magazins sind besorgt über ihr Gewicht, Hautprobleme wie Akne und unerwünschte Körperbehaarung und spüren den Druck, den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen.

Einige Fragen verdeutlichen, wie Frauen oft an das Gewicht und die Körperproportionen von Models gemessen werden, was zu einem tiefen Gefühl der Unsicherheit führen kann. Der Verweis auf Produkte wie „De Miracle“ zur Haarentfernung oder Hautpflege zeigt, wie tief verwurzelt die Vorstellung ist, dass Frauen ihre Körper ständig „verbessern“ müssen.

Darüber hinaus spielt der Druck, einem bestimmten Körpertyp zu entsprechen, eine entscheidende Rolle für Frauen, die in der Tanz- und Unterhaltungsindustrie Karriere machen möchten. Diese Branche verlangt oft nach spezifischen Körperstandards, was bedeutet, dass Frauen nicht nur dem gesellschaftlichen Druck ausgesetzt sind, sondern auch um ihre beruflichen Chancen fürchten müssen. Das Streben nach Schönheit wird hier zur Pflicht, verbunden mit der Vorstellung, dass das Erfüllen dieser Ideale nicht nur für die persönliche Identität, sondern auch für den beruflichen Erfolg entscheidend ist.

 

Rückseite von The Dance Magazine 11 (3), (Januar 1929)

Auf der Backcover-Seite von The Dance Magazine, Dezember-Ausgabe 1929, macht die Tänzerin Ruth St. Denis höchst persönlich Werbung für einen Lippenstift namens Tangee. Sie widmet sich insbesondere ihren Schülerinnen, denen sie erklärt, dass ein gutes Makeup nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Alltag wichtig sei. Gerade diesen Lippenstift in der Farbe ‚rouge‘  empfiehlt sie, da er neben seiner kräftigen, wenn auch natürlichen Farbgebung auch noch pflegende Qualitäten besitzt. 

Auch Frisuren und deren neue Tendenzen wurden in Der Tanz immer wieder von der Modeexpertin Leska diskutiert. Die Veränderung der Silhouette in eine verspielte und ‚feminine‘ Richtung lässt sich auch bei den neuaufkommenden Frisuren, die aus der Modestadt par excellence Paris nach Deutschland übergeschwappt sind,  beobachten. Leska schreibt: „Die glatte Buben- und Pagenfrisur gilt als überwunden. […] Mit dem weiblicher gewordenen Anzug kommt auch die weibliche Frisur wieder zu ihrem Recht. Beileibe nicht etwa langes Haar! Aber Locken und Wellen, die zur Umrahmung des Frauengesichtes auf die Dauer doch unentbehrlich sind.“ (Leska: „Neue Tanzfrisuren“, in: Der Tanz, Heft 5, März 1928, S. 29)  

Leska: "Neue Tanzfrisuren", in Der Tanz, Heft 5 (März 1928), S. 29

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