Als Archivalie des Monats wurde im Oktober die deutschsprachige Zeitschrift Der Tanz mit ihren besonders vielfältigen Coverbildern ausgewählt. Das Tanzmagazin wurde 1927 von dem jüdisch-russischen Emigranten Joseph Lewitan (1894–1976) als „Monatsschrift für Tanzkultur“ gegründet. Der studierte Jourist zeichnete sich insbesondere durch seine ausgezeichnete Fachkompetenz auf dem Gebiet des Tanzes sowie sein hohes Engagement als Tanzpublizist aus und versuchte in Der Tanz möglichst viele Bereiche der Tanzpraxis – vom Gesellschaftstanz über den klassischen Tanz bis hin zum europäischen Ausdruckstanz – abzubilden. Das Journal spiegelt folglich eine Bandbreite und thematische Vielfalt wider, die auf den unten angeführten Coverbildern sichtbar wird, und zählt auch heute noch zu einer der wichtigsten Quellen für das Tanzgeschehen der Zwischenkriegszeit im deutschsprachigen Raum.
1930 wurde auch Friderica Derra de Moroda Korrespondentin für das Magazin und freundete sich mit Joseph Lewitan an. Sie verfasste in den folgenden Jahren mehrere Artikel für Der Tanz und führte einen intensiven Briefwechsel mit Lewitan in den Jahren 1932 bis 1939 und von 1960 bis 1976. Vor allem die frühen Korrespondenzen spiegeln eine sehr weltoffene Auseinandersetzung der Briefpartner:innen mit der facettenreichen Tanzkultur der Zeit vor dem Hintergrund des beginnenden Nationalsozialismus, der Lewitan – „den allgemeinen Verhältnissen hierzulande Rechnung tragend“, wie er am 6. Juli 1933 an Derra de Moroda schrieb – zum Rückzug aus dem Magazin und schließlich ins amerikanische Exil zwangen (siehe dazu auch den bereits erschlossenen Teil der Korrespondenzen Derra de Morodas unter Nachlass Derra de Moroda: Korrespondenzen). Die Leitung der Tanzzeitschrift musste Lewitan folglich abgeben, ab 1936 übernahm diese der Tanzpublizist Werner Suhr.
Joseph Lewitan und Friderica Derra de Moroda, Wien 1934
© Universität Salzburg, Nachlass Friderica Derra de Moroda
Die Derra de Moroda Dance Archives besitzen nicht jede Ausgabe, doch bis ins Jahr 1939 einen umfassenden Bestand der Zeitschrift, der nun sukzessive auch digitalisiert und in Zukunft über das digitale Repositorium ePlus verfügbar sein wird. Mit dieser Archivalie möchten wir auf eine kostbare Quelle aufmerksam machen, die nicht nur die vielgestaltige Tanzmoderne als Phänomen sondern auch sämtliche Protagonist:innen einer Tanzzeit abbildet, deren Spurensuche sich als immer schwieriger gestaltet.