Ordnungen des Chorischen: Poetik und Praxis

Interdisziplinärer Workshop am 23. Mai 2014 im Unipark Nonntal mit Impulsvorträgen von Monika Meister (Theaterwissenschaft, Universität Wien) und Claudia Bosse (Regie/Choreographie, Wien)

Scan Derra de Moroda Dance Archives: Ipermestra. Zeichnung (1740-1765), DdM f M 008_27 - Drawing (1740-1765), DdM f M 008_27.
Ipermestra. Zeichnung (1740-1765), DdM f M 008_27.

Chöre des antiken Theaters müssen das moderne (Bühnen-)Bewusstsein zwangsläufig irritieren, evozieren sie doch eine Statik der Dramaturgie und zugleich Beweglichkeit in der Choreographie, die sich dem theatralischen Kommunikationssystem psychologischer Darstellung und dynamischer Handlungsmotivierung entzieht. Ein Blick in die Geschichte des Theaters seit der Antike zeigt, dass der Chor in der Aristotelischen Poetik und Rhetorik an Bedeutung verliert beziehungsweise einer Entmachtung ausgesetzt ist und seine Funktionen – wirkungsästhetisch ausdifferenziert – der inneren Spannung des Ethos überantwortet werden. Könnte man nun vermuten, dass sich dieser Prozess in der frühen Neuzeit bis hin zur Gesinnungsethik des bürgerlichen Trauerspiels weiter verfolgen lässt, evozieren die vielfältigen Theaterkulturen des 17. und 18. Jahrhunderts eher ein Spannungsfeld: Neben der zunehmenden Abwesenheit des Chores überdauern darin ältere Traditionen oder sind umso spektakulärere Comebacks dramatischer Chöre auszumachen. Die Frage nach der Identität von Stimmen und Figuren im epischen und postdramatischen Theater belegt die ungebrochene Wirksamkeit dieses Spannungsfeldes.

Vor dieser historischen Folie versucht der Workshop einerseits allgemein ästhetische Funktionsweisen einer im Raum gruppierten und agierenden Bühnenformation zu beschreiben, andererseits im Sinne einer abwesenden Anwesenheit darüber hinaus zu gehen. Das ,Chorische‘ wird demgemäß auch als epistemische, soziale und ästhetische Ordnungsinstanz des Theaters verstanden, zu der sich Dramenpoetik und Theaterpraxis ex negativo und historisch je unterschiedlich ‚verhalten müssen‘. Das Chorische dient dabei nicht nur als Marker für die Verschaltung von interner und externer Dramenkommunikation, Kollektiv und Individuum, Pathos und Ethos, sondern rückt auch deren mediale Bedingungen, d.h. die Ordnungen des Raumes selbst, in den Vordergrund.

Für den Workshop werden jeweils unterschiedliche ‚Wege‘ – historisch und disziplinär – vorgeschlagen: Einerseits sollen Erscheinungsformen des Chorischen in der Antike, im 18. und im 20. Jahrhundert als ästhetikgeschichtliche Phänomene in den Blick genommen, andererseits als textuelle, theatralische und künstlerisch-inszenatorische Organisationsstrukturen diskutiert werden.

Impulsvorträge: Monika Meister (Theaterwissenschaft, Universität Wien), Claudia Bosse (Regie/Choreographie, Wien)
Theorie-Gäste: Irene Brandenburg, Anja Burghardt, Uta Degner, Daniel Ehrmann, Nils Grosch, Claudia Jeschke, Werner Michler, Nina Noeske, Carolin Stahrenberg, Dorothea Weber, Norbert Christian Wolf

Ort: Tanzstudio der Abteilung Musik- und Tanzwissenschaft, Raum 2.105
Unipark Nonntal
Erzabt-Klotz-Str. 1

Zeit: 23. Mai 2014, 11-17 Uhr

Organisation, Leitung: Nicole Haitzinger, Clemens Peck